Ellen, Schülerin der Winterhuder Reformschule in Hamburg, über ihre Erfahrungen während der Austauschbegegnungen mit dem Collège Jean Tabi in Hamburg im Juli 2015:
Austauschbegegnung des Collège Jean Tabi und der Winterhuder Reformschule 2015 in Hamburg
Vom 1. bis 21. Juli kamen 10 Schülerinnen und Schüler des Collège Jean Tabi zum Gegenbesuch zu uns nach Hamburg, im Oktober zuvor waren wir Hamburger bereits bei ihnen gewesen. Die Gastgeschwister aus Hamburg hatten ein sehr intensives Programm vorbereitet.
Gemeinsames Vorbereitungsseminar in Lankau
Im Schullandheim der Winterhuder Reformschule in Lankau am Elbe-Lübeck-Kanal wurde Wiedersehen gefeiert und die deutsch-kamerunische Gruppe für die gemeinsame Projektarbeit gestärkt.
Unser Seminarleiter Léopold Leumassi brachte uns nicht nur spielerisch bei, wie wichtig es ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Vielfältige Aktivitäten förderten Kommunikation und Verantwortung für die Gruppe. Bei intensiver Zusammenarbeit wurde an einzelnen Programmpunkten individuell weitergearbeitet, aber auch neue Ideen entwickelt und umgesetzt, z.B. Kolonialszenen, Berlin-Exkursion, Gestaltung des Kameruntags am Landesinstitut in Hamburg, etc.
Kameruntag am Landesinstitut mit Tandem-Workshops
In neun Workshops erarbeiteten Tandems aus Hamburg und Yaoundé Themen mit SchülerInnen aus Hamburger Schulklassen. Methodisch unterstützt wurden sie von ReferendarInnen des Landesinstituts.
Die Begrüßung in der vollen Aula des Landesinstituts würdigte das große Interesse von Hamburger SchülerInnen an diesem Tag der Begegnung. Die Bandbreite der Themen zeigte die Vielfalt der unterschiedlichen Bereiche, in denen sich die vorbereitenden Tandems über kulturelle Unterschiede ausgetauscht und auseinandergesetzt haben. Dies war sehr bereichernd nicht nur für die WorkshopteilnehmerInnen aus Hamburger Schulen, sondern auch für die Tandems selbst!
Arbeit zur gemeinsamen Kolonialgeschichte: Recherchen und Inszenierung von Spielszenen
Die Gruppe führte gemeinsame Erkundungen in Hamburg durch und recherchierte u.a. im GIGA-INSTITUT und während einer Führung auf dem Universitätsgelände unterstützt durch das Institut für Romanistik der Hamburger Uni. Ausgewählte Episoden der deutsch-kamerunischen Geschichte verarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Spielszenen, die auf dem Kamerunfest am 14. Juli vorgestellt wurden.
Hier ging es um Strategien der deutschen Kolonisateure, schlaue Schachzüge von kamerunischen Eliten (Charles Atangana), die unterschiedliche Sicht der Deutschen und der Einheimischen auf „ihre“ Stadt Yaoundé und weitere Episoden.
Kamerunfest am 14. Juli
Das Kamerunfest war der große feierliche Höhepunkt. Neben den Spielszenen zur Geschichte führte die deutsch-kamerunische Gruppe Tänze auf, berichtete aus dem Programm und eröffnete ein wunderbares afrikanisches Buffet. Der glanzvolle Abschluss war der Auftritt der Gruppe von Terrence Ngassa. Seine Musik riss alle Gäste vom Stuhl und die Tanzfläche war sofort voll. Als symbolisches Zeichen der Verbundenheit während des Austauschs im Schuljahr 2014/15 erhielt jeder TeilnehmerIn ein kreativ gestaltetes T-Shirt mit der Aufschrift: “échange culturelle”.
Berlinfahrt
Nach Ende des Schuljahres führte die Berlin-Exkursion die Gruppe neben einem Besuch des Reichstages auch an die afrikanischen Seiten Berlins. Dazu gehörte die Botschaft Kameruns ebenso wie das kamerunische Viertel! Die Exkursion gehörte mit zu den Höhepunkten gemeinsamer Unternehmungen, insbesondere auch durch den eindrucksvollen Empfang, den wir in der Kameruner Botschaft erfahren durften. Dieser war insbesondere geprägt durch die afrikanische Gastfreundschaft und dem persönlichen Kontakt zum Botschafter. Afrikanisch klang der Tag dann im „Bantu village“ bei afrikanischer Musik und landestypischem Essen aus. Am nächsten Tag führten die deutschen SchülerInnen bei strahlendem Sonnenschein ihre Corres zu den Sehenswürdigkeiten wie den Hackeschen Höfen, der Humboldt-Universität, dem Brandenburger Tor und dem Holocaust-Denkmal und vermittelten vor Ort die ereignisreiche Geschichte und Architektur der Stadt Berlin. Aber auch die Zeit für eigene Erkundungen durfte nicht zu kurz kommen. So wurde zum Abschluss der Exkursion noch das eine und andere Souvenir mitgenommen, bevor es mit vielen Eindrücken zurück nach Hamburg ging.
Freundschaften
Das Programm der gesamten Austauschbegegnung war außerordentlich vielfältig und reichhaltig – dennoch war daneben immer noch Platz für private Unternehmungen. Und auch dieses Mal wurden auch durch diese Austauschbegegnung tolle Freundschaften geschlossen!
Stephan, Schüler der Winterhuder Reformschule in Hamburg, über seine Erfahrungen während der Austauschbegegnungen mit dem Collège Jean Tabi in Yaoundé (Kamerun) in den Jahren 2012 und 2013:
Mein Name ist Stephan, ich bin 18 Jahre alt und ich habe an dem Schulaustausch zwischen der Winterhuder Reformschule und dem College Jean Tabi 2012 (Outgoing) bzw. 2013 (Incoming) teilgenommen. Vorweg sollte gesagt werden, dass ich die Entscheidung, an eben diesem Vorhaben teilzunehmen, sehr spontan getroffen habe und es sich allemal gelohnt hat.
Das Konzept dieser Austauschbegegnungen sieht vor, dass sich alljährlich Outgoing und Incoming ablösen, d.h. während ich 2012 beispielsweise in Kamerun war, durfte ich ein Jahr später in Hamburg der Gastgeber sein. Das ist meiner Meinung nach der sinnvollste und gerechteste Weg, die Partnerschaft zu gestalten, sodass jeder Partner die Gast- und die Gastgeberrolle kennenlernt. Zudem habe ich persönlich auch großes Interesse daran gehabt, meinem Gastbruder dieselbe Gastfreundschaft zu erweisen, die mir in seiner Familie in Kamerun zuteil wurde. Ich wollte anders gesagt „etwas zurückgeben”.
Nun zu den Feinheiten: Ein einzelner Austausch wurde bisher von einem Vor- und Nachbereitungsseminar begleitet, den das ENSA (Entwicklungspolitisches Schulaustauschprogramm) geleitet hat. In der Vorbereitung (zunächst ausschließlich auf deutscher Seite) ging es vor allem darum, sich mit der persönlichen Erwartungshaltung bezüglich dessen, was vor einem liegt, auseinanderzusetzen. Darüber hinaus gab es diverse gruppendynamische Übungen und Spiele, die den Gruppenzusammenhalt förderten und die Teilnehmer auf gewisse Themen sensibilisierten, wie z.B. Konfliktlösung, Kommunikation, Kultur, usw.
Nach meinem ersten Vorbereitungsseminar habe ich mich persönlich wie ein anderer Mensch gefühlt. Mir war bewusst, was vor mir liegt und was meine Entscheidung zu gehen bedeutete. Am meisten geholfen hat der Tipp, dass ich mir am besten noch gar nicht vorstelle „wie es denn sein könnte“, sondern einfach alles auf mich zukommen lasse. Das hat sich später in Kamerun sehr rentiert.
Während des Projektes in Kamerun habe ich mich meistens sehr wohl gefühlt, auch wenn ich während meiner Zeit in der Familie nicht richtig schlafen konnte. In dieser bin ich nach einer kurzen „Annäherungsphase” in einem Fischerdorf in Kribi gelandet, denn bevor die Teilnehmer direkt in die Familie kamen, haben sich erst einmal Gastbrüder- und Schwestern kennengelernt, was in Kamerun in Kribi und in Deutschland an der Ostsee der Fall war. Dieser „Übergang“ ist meiner Erfahrung nach wohlüberlegt. So hatte ich in meiner Gastfamilie 2012 einen Ansprechpartner, den ich schon kannte: Meinen Gastbruder.
Dieser hat mich in Yaoundé (Hauptstadt von Kamerun) herumgeführt und mir vieles gezeigt, was für meine europäischen Maßstäbe unvorstellbar gewesen ist, z.B. kann auf den verschiedenen Märkten alles von Ananas bis zu Naruto-CDs erworben werden. Mit seiner kleinen Schwester habe ich mich auch sehr schnell verstanden, obwohl sie anfangs schüchtern gegenüber dem merkwürdigen weiteren Jungen war, der „plötzlich in unserem Haus wohnt“.
Kommunikationstechnisch habe ich sehr viel von dem Austausch profitiert, zumal ich kein Wort Französisch gesprochen habe und in eine Gastfamilie geraten bin, die quasi kein Englisch und kein Deutsch verstanden hat – mit Ausnahme meines Gastbruders, der selbst Deutsch als Fremdsprache belegt. So waren in Sachen Kommunikation meine besten Freunde die Körpersprache und mein Gastbruder als Übersetzer. Dadurch hatte ich a) die Möglichkeit meine Körpersprache weiterzuentwickeln (die Kameruner haben eine teilweise eigene Körpersprache) und b) konnte ich meinen Gastbruder immer fragen, wenn ich etwas auf Französisch sagen wollte. Meine Einstellung ist: Bin ich in einem französischsprachigen Land, möchte ich auch auf Französisch mit den Menschen sprechen können, weil das natürlicher ist und ich mich nicht gerne in der Touristen- bzw. Außenseiterrolle sehe.
Die Gruppe der Kameruner war prinzipiell sehr offen mir gegenüber. Ich habe das genutzt, viel mit ihnen gemacht und mich sehr wohl mit ihnen gefühlt. Doch gab es dennoch eine gewisse Spannung zwischen der deutschen und der kamerunischen Gruppe, was natürlich in der Anfangszeit nachvollziehbar ist. Leider haben die beiden Gruppen (ich bedauere „beide Gruppen“ sagen zu müssen) sehr spät zu einander gefunden. Diese Vorkonstellation hat sich auch im zweiten Austausch bemerkbar gemacht, sodass teilweise wieder von zwei oder auch mehreren Grüppchen die Rede sein kann. So gab es manchmal ein paar Kameruner, die sich zusammen getan haben, wie es auch Deutsche taten und außerdem einige Mutige, die sich zwischen diesen Konstrukten hin und her bewegen konnten. Das hat mit der Zeit abgenommen. Allgemein lässt sich folgern, dass das Zusammenwachsen einer Gruppe gerade dieser Größe und dieser kulturellen Polarität immer Zeit braucht. Meiner Meinung nach sind die dafür vorgesehenen drei Wochen zu wenig. Doch lässt sich ein längerer Zeitraum schwerer finanzieren und müsste vermutlich auf die Ferienzeit verlagert werden, die zwischen Kamerun und Deutschland bzw. Hamburg variiert.
Das Nachbereitungsseminar hat mir immer das Gefühl gegeben: Ich bin wieder zu Hause mit meiner Gruppe“. Wichtig war zu diesem Zeitpunkt, hinter die Kamerunfrage nicht einfach einen Haken zu machen, sondern zu überlegen: Wie geht es weiter?
Für mich persönlich ist es ein Ziel, auf das meine Gruppe und ich (also der gesamte Austausch) zugesteuert haben und das es zu erreichen gilt. Auch wenn ich vielleicht nicht mehr bei der Beendigung des Projektes dabei sein kann, lebt und wächst das Projekt von einer gewissen Kontinuität. Das heißt, wenn ich nicht mehr auf der Schule bin, muss die Nachfolgegeneration die Verantwortung übernehmen. Insofern hoffe ich, dass diese ihre Aufgabe so ernst nimmt, wie wir es getan haben und daher versuche ich, das Projekt noch über meine Schulzeit hinaus in meiner Vereinstätigkeit zu begleiten, um ebendies zu fördern.
Erfahrung: Meine Erfahrung ist gut. Ich habe einen Einblick darüber gewonnen, was außerhalb des eigenen Tellerrands passiert und neue Menschen kennen gelernt. Und mit neuen Menschen meine ich auch wirklich neu. Insofern hat mich dieser Austausch in meinem Denken und Handeln geprägt. Leider viel zu wenig. Das heißt, ich wäre noch viel länger dageblieben.
Wer sich vorstellen kann, dass es da noch etwas anderes gibt, als er oder sie im derzeitigen Leben kennt, der sollte unbedingt diesen oder einen vergleichbaren interkulturellen Austausch wagen. Man entdeckt nicht nur ein neues Land – man entdeckt auch sich selber; Dinge, die hier in Deutschland gar nicht aus einem herauskommen können. Diese Erfahrung, d.h. diesen Aha-Effekt wünsche ich jedem und empfehle ein solches Vorhaben auf jeden Fall weiter.
Mein Tipp: Erwartungshaltung herunterschrauben, offen sein und einfach los!