How to be Pippi

Es ist der Abend des 22. März 2025 auf einer 50. Geburtstagsfeier in Yaoundé, zu der keiner der Gesprächspartner eingeladen war. Philippe Elanga erzählt von den Projekten seiner Theatergruppe, mit der er zu gesellschaftlichen Themen arbeitet und unter anderem die Geschichte von Duala Manga Bell, einem kamerunischen Helden zur deutschen Kolonialzeit, zur Aufführung gebracht hat. Seine Gesprächspartnerin Rosa Ernst, eine Theaterlehrerin aus Hamburg, ist begeistert von der Leidenschaft, mit der er über das Theaterspielen und seine Gruppe spricht. Schnell entdecken die beiden gemeinsame Themen in ihrer Arbeit. Sie und ihre Schüler*innen beschäftigen sich gerade mit der in Deutschland sehr bekannten Kinderbuchfigur Pippi Langstrumpf, die Astrid Lindgren in den 1940er Jahren in Schweden erschaffen hat. Sehr viele Kinder in Deutschland wachsen mit den Geschichten und Abenteuern von Pippi Langstrumpf auf und lernen dabei viel darüber, wie Gesellschaft organisiert ist und worauf es im Leben ankommt.
Ein Thema des Buches ist geprägt durch den Kolonialismus, der in den 1940ern noch weit verbreitet war und durch Geschichten, die Astrid Lindgren in Zeitungen verfolgen konnte, beeinflusst. Pippis Papa war nämlich Kapitän, ist mit seinem Schiff gestrandet und an Land gegangen, wo er direkt „[…] König über alle Eingeborenen geworden war und jeden Tag eine goldene Krone auf dem Kopf trug.“ (Zitat aus Pippi Langstrumpf) Die Schüler*innen des 12. Jahrgangs der Stadtteilschule Bergstedt haben sich zum Ziel gesetzt, mit den im Kinderbuch vermittelten Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben aufzuräumen, ihr Publikum aufzuklären und zum kritischen Nachdenken anzuregen. Als sie von der Begegnung ihrer Lehrerin mit Philippe Elanga in Kamerun erfahren und von den Projekten seiner Theatergruppe hören, sind sie sofort interessiert. Die beiden Gruppen treffen sich über Zoom und kommen auf deutsch und französisch miteinander ins Gespräch. Dabei erzählen sie sich von ihren aktuellen Projekten und die Gruppe in Deutschland hört das erste Mal von Ákera.
Repräsentiert durch eine hölzerne Figur, stellt Ákera in dem neusten Theaterstück der Gruppe um Philippe Elanga die Göttin dar, die das Volk von So’o, verehrt und um Hilfe bittet, wenn Probleme auftreten. Das missfällt der deutschen Kolonialregierung. Die Kolonialherren, gespielt von Kristian, dem Arzt, und Miguel, dem Gouverneur, möchten, dass sie der „richtigen“, nämlich der christlichen Religion folgen und ihre Krankenhäuser nutzen, damit sie gesund und arbeitsfähig bleiben. Aus diesem Grund denken sie sich eine List aus, in die sie auch den Chief des Volkes, gespielt von Johnny, einbinden. Sie überzeugen ihn, indem sie ihm Vorteile versprechen. Sie unterstellen der Wächterin der Statue, die Balbine spielt, sie gestohlen zu haben und töten sie, um ihre Tat zu vertuschen.
Diese eng mit der deutschen Kolonialzeit verbundene fiktive Geschichte brachten sie zur Aufführung. Für diese Kooperation entwickelten sie in kurzer Zeit ein professionelles Video, das sie der Gruppe in Hamburg schickten, die es in ihr Theaterstück einbaute. So kam es, dass Pippi Langstrumpf in ihrer Kommode eine hölzerne Figur fand, die ihr Vater von einer Reise nach Kamerun mitgebracht hatte. Die Schüler*innen in Hamburg zeigen in ihrem Theaterstück das Video der Gruppe aus Yaoundé und verhandeln mit dem Publikum gemeinsam, was nun mit dieser Figur, die unrechtmäßig nach Deutschland gelangte, passieren soll. Am Schluss entsteht eine Debatte und es kommt zu einer Abstimmung. Das Publikum entscheidet durch Aufstehen oder Sitzenbleiben, ob die Figur von Ákera zurück nach Kamerun gebracht werden soll oder in Deutschland in einem Museum zur Aufklärung über die Taten während der Kolonialzeit ausgestellt werden soll. Besondere Bedeutung erlangt diese Szene dadurch, dass die Figur aus dem in Yaoundé aufgenommenen Video tatsächlich mit der Hilfe von Stéphane Konlack nach Hamburg gelangte und das wichtigste Requisit des Theaterstücks geworden ist.
Das gemeinsame Produkt der beiden Theatergruppen war in dem Stück „How to be Pippi“ im Rahmen des FLEX Schultheaterfestivals im Jungen Schauspielhaus in Hamburg am 20.06.2025 zu sehen. Weitere Aufführungen sind geplant.
Philippe Elanga und Rosa Ernst

Newsletter - Juli 2025