Martin Luther Nangue Foutsop und Mark Schauer waren auf der Bildungsfahrt Bafoussam-Hamburg 2016/ 2017 ein Tandem.

Bitte stellt euch kurz vor.
Mark
Ich bin Mark Schauer, bin 38 Jahre alt und unterrichte – mittlerweile seit 8 Jahren – an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg die Fächer Deutsch und Sport. Ich lebe in Hamburg und komme ursprünglich aus der Gegend um Frankfurt. Ich war Teilnehmer der Bildungsfahrt in Bafoussam im Jahr 2016.
Martin
Mein Name ist Martin Luther Nangue Foutsop, ich komme aus Kamerun und bin Deutschlehrer. In Kamerun habe ich mehr als 12 Jahre als Deutschlehrer gearbeitet und bin jetzt seit Januar 2025 in Chemnitz als Lehrer tätig. Dort gebe ich Integrationskurse und demnächst auch Alphabetisierungskurse. Ich war ebenfalls Teilnehmer der Bildungsfahrt in Bafoussam im Jahr 2016 sowie der Bildungsfahrt nach Hamburg im Jahr 2017.
Was war euer schönster gemeinsamer Moment in Bafoussam?
Martin
Das war tatsächlich im Oktober 2016. Die Kameruner Gruppe war in der Herberge am Mont Saint Jean und hat auf die Ankunft der deutschen Gruppe gewartet. Es war der Moment, auf den ich mich lange gefreut hatte und ich sehe noch den Bus langsam den steilen Berg zum Mont Saint Jean hinaufklettern. Ich war so gespannt auf meinen Tandempartner, es war eine schöne Spannung und dann stieg Mark aus dem Bus aus, ein großer Mann, und wir haben uns vom ersten Augenblick miteinander verstanden.
Mark
Ein Moment, an den ich mich noch erinnere, war auf der kleinen Wiese. Wir haben gemeinsam Frisbee gespielt, vielleicht war es auch Fußball, es war so cool und es hat richtig „gevibt“. Es war toll, dass wir uns auch in der Freizeit so gut miteinander verstanden haben. Das war wirklich der Beginn unserer Freundschaft.
Das hört sich ja fast wie eine Liebe auf den ersten Blick an. Was verbindet euch miteinander?
Martin
Ich denke, dass wir beide hilfsbereit sind und Empathie für andere Menschen haben. Außerdem sind wir uns ähnlich in der Art und Weise, uns leicht anzupassen. Das haben wir alles gemeinsam.
Mark
Ich finde, dass Martin hier eine gute Antwort gegeben hat. Ich denke, wir sind vom Charakter her ähnlich. Wir können uns gut über verschiedene Themen miteinander austauschen und sind auch oft der gleichen Meinung.
Gibt es ein Erlebnis oder auch ein Ereignis, das euch mit einer oder einem anderen Bildungsfahrtler*in verbindet?
Martin
Ich denke, dass wir als gesamte Gruppe der Bildungsfahrtler*innen als Team gearbeitet haben.
Mark
Das Projekt war insgesamt eine sehr intensive Erfahrung! In der deutschen Gruppe hatten wir weitere Treffen miteinander, da gab es eine tiefe Verbindung.
Martin
Ich erinnere mich daran, dass Julia in Hamburg extra das Auto ihrer Großmutter geliehen hatte, um uns Hamburg zu zeigen. Das habe ich sehr geschätzt, diese Art und Weise bereit zu sein, mit uns etwas zu unternehmen.
Mark
Jetzt fällt mir auch noch eine lustige Situation ein. Das war in Bafoussam, wir saßen abends zusammen, haben Gitarre gespielt und dann wollte sich Jérôme verabschieden. Er sagte sehr laut zur ganzen Gruppe: Meine Damen und Herren, ich ziehe mich jetzt aus! Wir haben so gelacht! Es war ein Versprecher, er wollte sagen, ich ziehe mich jetzt zurück. Ich denke, unser gemeinsamer Humor und das Lachen miteinander waren auch toll.
Martin
Wir waren noch jung und hatten viel Energie…
Inwieweit hat euch diese Bildungsfahrt für euer späteres Leben geprägt?
Martin
Mein Aufenthalt in Hamburg 2017 war mein erster Auslandsaufenthalt. Ich habe meine ersten Erfahrungen mit dem deutschen Schulsystem gemacht, das hatte ich mir bereits als Kind gewünscht. Mein Traum war es immer, irgendwann eine Karriere in Deutschland zu machen. Deswegen wollte ich unbedingt die Schulen in Hamburg sehen, ich wollte die Schüler*innen kennen lernen. Aber das war beim ersten Mal komisch, die Schüler*innen trugen keine Schuluniformen, sie haben geraucht und sie haben gemacht, was sie wollten. Das war eine ganz neue Erfahrung. Insgesamt war es offener und auch demokratischer. Es wurde weniger diktiert.
Mark
Mich haben die gesamten Erfahrungen in Kamerun sehr geprägt. Ich wusste fast nichts über Kamerun oder über die anderen afrikanischen Staaten, vielleicht außer dem Namen. Ich habe das Land Kamerun und vor allem die Menschen, die Kameruner*innen, kennengelernt. Ich denke, ich habe wirklich tiefe Einblicke in das Land und das Leben erhalten, Einblicke, die ich als Tourist niemals bekommen hätte. Vor allem die Auseinandersetzung mit dem Konzept der „Critical Whiteness“ hat mich zum Umdenken geführt und auch mit Themen wie Kolonialismus und Postkolonialismus hatte mich vorher nur wenig beschäftigt.
Ein großes Thema auf eurer Bildungsfahrt war die Auseinandersetzung mit der kolonialen Geschichte sowie mit Diskriminierung und Rassismus. Welche Rolle spielen diese Themen heute für euch?
Martin
Ich fühle mich wirklich beauftragt, von meiner eigenen Lebensgeschichte und der meiner Familie zu erzählen. Ich erzähle jetzt meinen Student*innen davon, kleine Geschichten über den Kolonialismus. Ich halte dies im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Kamerun und Deutschland für eine große Notwendigkeit, diese Geschichten zu erzählen und nicht zu verstummen. Die Bildungsfahrt damals war ein Anfang, auch meine Geschichte zu erzählen, in der Hoffnung, dass so etwas nicht wieder passiert. Wir sehen jetzt aber doch, dass sich die Geschichte wiederholt, wie zum Beispiel in der Ukraine oder auch in Gaza.
Mark
Ich denke, ich bin sensibler geworden, im Austausch im Privaten, aber auch im beruflichen Alltag. Ich erzähle immer mal wieder von dem Kamerunaufenthalt, kurze Exkurse, um aufzuklären.
Was hat sich seit der Bildungsfahrt in eurem Leben – beruflich und privat – verändert?
Mark
Während der ersten Bildungsfahrt in Kamerun war ich noch Referendar. Danach habe ich mein zweites Staatsexamen absolviert und zurzeit der zweiten Bildungsfahrt in Hamburg hatte ich gerade meine erste Stelle als Lehrer angetreten. Inzwischen bin ich auf Lebenszeit verbeamtet und nutze meine Freizeit unter anderem zum Musizieren oder um mit meinem Kajak die Hamburger Kanäle zu erkunden.
Martin
Damals in Bafoussam hatte ich gerade mal 3-4 Jahre Berufserfahrung und war noch ein junger Lehrer. Während der Bildungsfahrt habe ich zum ersten Mal projektorientiert gearbeitet und war fasziniert davon, wie sehr sich die Motivation und Kreativität der Schüler*innen dadurch steigern ließ. Ich habe gerne und oft Projekte mit Schüler*innen durchgeführt. Später hatte ich weitere Aufenthalte in Deutschland, u.a. in München und habe schließlich meine jetzige Stelle in Chemnitz erhalten.
Wie seid ihr nach der Bildungsfahrt miteinander in Kontakt geblieben?
Martin
Durch Whatsapp war es tatsächlich leicht für uns, miteinander in Kontakt zu bleiben. Während eines Deutschlandaufenthalts habe ich auch die Familie von Mark kennen gelernt. Auch von seiner Oma und seiner Mutter werden mir immer wieder Grüße weitergeleitet. Ich habe die Großmutter von Mark damals direkt „Oma“ genannt und das hat sie sehr gefreut. Ich habe mich in Marks Familie immer ganz präsent und willkommen gefühlt.
Mark
Ja, so war es 😉. Ich finde es auch sehr schön, dass wir die ganzen Jahre über in Kontakt geblieben sind.
Stellt euch vor, es ist das Jahr 2030 und ihr begegnet euch in Kamerun. Was würdet ihr zusammen machen?
Mark
Ich würde erwarten, dass Martin mich dann führt, er ist ja der Experte, damit wir seine Freunde und seine Familie besuchen. Vielleicht gehen wir dann auch in seine Schule, vielleicht besuchen wir die ehemaligen Bildungsfahrtler*innen. Und ich würde gerne mit ihm ans Meer fahren!
Martin
Stimmt, der erste Aufenthalt war wirklich zu kurz! Also, ich schulde ihm noch ein leckeres Taro (kamerunisches Gericht) und einen Besuch in meiner Familie. Ich würde mit ihm zu meinen ehemaligen Schüler*innen gehen und sie würden fragen: Ist das der Markus aus unserem Deutschbuch?
Möchtet ihr jetzt noch etwas sagen?
Martin
Ich danke euch für das Gespräch.
Mark
Vielen Dank auch für das Engagement der beiden Vereine Netzwirkung e.V. und EduNeC, die uns diese Bildungsfahrt ermöglicht haben.
