Phiro & Ben

Ben und Phiro waren 2017 auf der Bildungsfahrt Ebolowa ein Tandem. Hier erfahrt Ihr, wie es den Beiden geht, welche Erinnerungen Sie mit der Fahrt verbinden und was sie jetzt antreibt.

Bitte stellt Euch kurz vor:

Phiro:

Hallo! Ich bin Phillipe, meine Freunde nennen mich Phiro. Am 26. Oktober feiere ich meinen Geburtstag, dann werde ich 31 Jahre alt. Ich bin an einem Gymnasium und am Goethe-Institut Kamerun tätig. Außerdem bin ich Mitglied von EduNeC und auch aktiv im Vorstand. Das Fach Deutsch unterrichte ich seit 10 Jahren.

Ben:

Mein Name ist Benjamin oder auch Ben, ich bin 1983 geboren. Ich bin an einer beruflichen Schule tätig, wir bilden Kaufleute aus und haben auch einen gymnasialen Zweig. Ich unterrichte Englisch und Wirtschaft. Aktuell betreue ich Referendare und Praktikant*innen, unterrichte seit vielen Jahren auch geflüchtete Schüler*innen und bin zudem in der Schulentwicklung tätig.

Was war Euer schönster gemeinsamer Moment in Bafia?

Ben:

Das ist jetzt fast 6 Jahre her, im Oktober 2017. Ich erinnere mich an das Ankommen im Bus, nach einer langen Reise, das war ein wunderbares, farbenfrohes Willkommen, ein totaler Kontrast zu dem, was ich bisher kannte.

Phiro:

Ich erinnere mich an die Vorbereitung des Theaterstücks, da hat Ben mit einer Schülerin getanzt und ich kann diesen Moment nicht vergessen. Eine weitere Erinnerung ist die an unser gemeinsames Waschen unserer Wäsche. Ich erinnere mich auch an den Moment, als die Bühne, die extra für uns getischlert wurde, gleich am Anfang zusammengekracht ist. (Alle lachen).

Gibt es ein Erlebnis/ Ereignis, das euch mit einer oder einem anderen Bildungsfahrtler*in verbindet?

Phiro:

Mir fällt die Situation im Gymnasium in Ebolowa mit Daniel ein. Wir kamen gemeinsam dort an und sahen vor einer Klasse drei Schüler*innen kniend vor der Tür. Daniel wollte wissen, warum die Schüler*innen dort waren und ich habe ihm geantwortet, dass sie sicherlich bestraft worden seien. Als wir die drei nach den Gründen fragten, erklärten sie, sie hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Daniel wollte wissen, warum sie diese nicht gemacht hatten. Sie erklärten, dass sie keine Bücher hätten. Daniel war darüber sehr traurig und kaufte am nächsten Tag drei Schulbücher für diese Schüler und schenkte sie ihnen. Für mich war das wunderbar. Am Ende haben die Schüler*innen ihm versprochen, jetzt immer ihre Hausaufgaben zu erledigen.

Ben:

Wir waren einen Tag mit Cédric und Sören auf einem Bauernhof. Dort gab es eine beeindruckend schöne Natur, kamerunisches Essen und Schnaps. Sören ist danach sehr krank geworden.

Was habt ihr beruflich gelernt im Rahmen der Bildungsfahrt?

Phiro:

Für mich hat die Reise nach Hamburg eine ganz entscheidende Rolle in meiner Karriere gespielt. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich mit dem interaktiven Whiteboard gearbeitet. Dort in Deutschland habe ich gelernt, dass es so viele Lernmaterialien im Internet gibt. Ehrlich gesagt unterrichte ich nicht mehr so gerne mit dem Lehrbuch. Das Unterrichten mit dem Whiteboard, das habe ich bei der Hospitation bei Ben gelernt. Und das benutze ich auch jetzt in meiner Unterrichtspraxis.

Ben:

Ich habe auch ein Beispiel aus dem Unterricht. Ich habe einen gegensätzlichen Eindruck, denn ich habe den Eindruck, dass der Unterricht in Kamerun ganz anders war. Es gab viel Leben in den Klassenräumen, es war lebendig und fröhlich und es gab viel Flexibilität und Improvisation. Das hat mich damals sehr beeindruckt.

Ein großes Thema auf den Bildungsfahrten ist immer der Bereich Interkulturalität. Fällt euch hier ein konkretes Beispiel ein?

Ben:

Unser Projekt. Das Thema „Hautfarbe“ und „Schönheitsideale“. Das war augenöffnend für mich. Das war ein Thema, das mir vorher noch fremd war. Wir sind dabei mit den Schüler*innen sehr empirisch vorgegangen, haben Interviews gemacht und Umfragen erstellt.

Phiro:

Am zweiten Tag nach der Ankunft in Ebolowa gab es für mich ein Ereignis, das mich sehr beschäftigt hat. Wir mussten zu zweit in einem Bett schlafen und sollten auch die Decke teilen. Ben hatte eine Decke mitgebracht und hat mir am zweiten Tag vorgeschlagen, dass er seine Decke nimmt und ich meine. Für mich war das sehr schockierend. In Kamerun sind wir es gewohnt, zu dritt oder auch zu viert in einem Bett zu schlafen und ich habe mich damals gefragt: Ist das jetzt eine Form von Rassismus? Das war damals mein erster Kontakt mit Ausländern, mit Weißen, und es gibt viele Dinge, die ich erst jetzt verstehe. Ich habe damals mit Ben nicht darüber gesprochen, diese Frage hatte mich aber weiter beschäftigt.

Was hat sich seit der Bildungsfahrt in eurem Leben – beruflich und privat – verändert?

Ben:

Der erste Schritt war, dass ich mein Referendariat bestanden habe, denn das war ja fremdbestimmt. Ich habe mich gefreut, dass meine Schule mich übernommen hat. Inzwischen bin ich fester Bestandteil des Kollegiums und ich unterrichte sehr gerne, habe meinen festen Platz im Kollegium und eigene Verantwortlichkeiten in der Schule. Ich bin nach wie vor stolz, dass ich diesen Beruf gewählt habe.

Phiro:

Nach der Bildungsfahrt habe ich viele Dinge in meinem Beruf gelernt. Ich habe an vielen Fortbildungen teilgenommen, u.a. an der DLL-Fortbildung, ich bin jetzt auch Lehrkraft am Goethe-Institut Kamerun. Ich möchte gerne in Kamerun bleiben und idealerweise kann ich jetzt dank der Fortbildung regelmäßig mit dem IWB arbeiten. Was noch? Deutschland ist wirklich ein tolles Land. Die Reise dorthin ist für viele Afrikaner*innen sehr beeindruckend, sie wundern sich, was sie dort alles sehen und viele wollen dort bleiben. Das war bei mir nicht so. Ich war in Hamburg, alles war so schön und ich habe mich gefragt, warum ist das in Kamerun nicht so? Ich habe mit Dennis gesprochen und er hat dies begründet mit der Sklaverei und dem Kolonialismus. Aber ich selbst bin heute nicht dazu gezwungen, etwas in Europa zu tun und dort zu arbeiten. Die Lebensbedingungen sind nicht so einfach hier in Kamerun. Aber ich habe mir die Aufgabe gegeben, in Kamerun zu bleiben, und etwas Positives für mein Land zu tun!

Hat die Black-Lives-Matter-Bewegung eine Bedeutung für euch?

Ben:

Im praktischen Schulalltag haben wir natürlich auch Schüler*innen mit unterschiedlichen Herkünften. Es ist aber nicht so präsent. Mit den Schüler*innen habe ich über diese Bewegung gesprochen.

Phiro:

Die Spuren des Kolonalismus sind in den Körpern und den Seelen der Afrikaner*innen geblieben. Ich war schon zweimal in Deutschland. Aber ich habe nie selbst Rassismus erlebt. Ich wollte das eigentlich gerne mal erleben, aber leider habe ich das noch nicht erlebt. Heute weiß ich genau, was ich kann, was ich will. Solche Leute, die sich rassistisch verhalten, haben keinen Platz mehr für mich. Heute sollte man nicht mehr von Rassismus sprechen.

Stellt euch vor, es ist das Jahr 2031 und ihr begegnet euch noch einmal. Was würdet ihr zusammen machen?

Ben:

Ich würde gerne noch einmal nach Kamerun kommen, wenn sich der Rahmen bietet. Ich weiß nicht so genau, was ich allein machen würde, ich bräuchte einen Ankerpunkt. Dann könnte ich mir vorstellen, mit Phiro zu laufen.

Phiro:

Ich würde gerne noch einmal nach Deutschland reisen, um zu lernen oder auch um Projektpartner*innen zu finden. Ben hat mir beigebracht, Tischtennis zu spielen, das würde ich gerne noch einmal mit ihm machen. Wir haben das damals zwei- oder dreimal gemacht, das war toll!!

Wir veröffentlichen im Dezember den neuen Newsletter. Welche Rubrik würde euch besonders interessieren?

Phiro:

Ich interessierte mich besonders dann für den Newsletter, wenn ich selbst etwas geschrieben habe . Aber auch wenn sich Schüler*innen oder Lehrer*innen vorstellen, finde ich das sehr spannend, dies zu lesen. Wir lernen immer etwas Neues von den Menschen.

Ben:

Ich weiß noch, nach uns kamen ja auch weitere Bildungsfahrten und ich fand es immer spannend, welche Gruppen unterwegs waren und habe mich gefragt, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich zu einer anderen Gruppe gehört hätte und wie ich in der einen oder anderen Gruppe zurechtgekommen wäre. Der Newsletter ist immer ein Anstoß an eine schöne Erinnerung, das gefällt mir!

Möchtet ihr jetzt noch etwas sagen?

Phiro:

Ich bin dankbar, dass ich diese Fahrt mitmachen konnte! Ich habe es schon gesagt, diese Fahrt hat eine entscheidende Rolle in meinem Leben und in meiner beruflichen Karriere gespielt. Ich werde immer sagen können, ich habe an einem tollen Projekt teilgenommen, das werde ich in zehn, in zwanzig und auch noch in dreißig Jahren sagen. Ich danke den Vereinen EduNeC und Netzwirkung e.V.!

Ben:

Danke für die Bildungsfahrt und vielen Dank für das nette Gespräch und die schönen Erinnerungen!

Ben & Phiro

Newsletter - Oktober 2023